Kultura Trail der NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen: Streifzug rund um Egelsbach per Rad
Die Kultura Trails der NaturFreunde Hessen sind Rundwege, die regional begrenzte Natur- und Kulturräume beim Wandern und Radfahren erschließen und erfahrbar machen wollen. Der Kultura Trail "Streifzug rund um Egelsbach per Rad" ist als Rundweg mit Beginn und Ende am schönen Gelände der NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen angelegt, wo sich eine Abschlussrast im NaturFreundehaus empfiehlt.
Der Kultura Trail liegt in der Verantwortung der NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen (https://www.naturfreunde-egelsbach-erzhausen.de/) und wurde gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Kultura Trails der NaturFreunde Hessen“ konzipiert.
Der Weg führt uns zu Zeugnissen der Regional- und Industriegeschichte im Kreis Offenbach. Dass der Menschen, die unter der Nazizeit gelitten haben, gedacht wird, aber auch, dass aus Altem Neues werden kann, dass Wissenschaft, Kunst und Bildung ihren Platz haben, dass ein Stückchen Verkehrswende angepackt wird, all das erfahren wir auf dieser Tour. Und wir lesen von Menschen in der Region, die sich in Bündnissen gegen die Gefährdung der Natur durch große Industrieunternehmen wehren.
Tourbeschreibung
Mit 26 km und ohne nennenswerte Steigungen ist der Trail familienfreundlich. Es gibt Abkürzungsmöglichkeiten. Der Einstieg für ÖPNV-Nutzer*innen sind die Bahnhöfe Langen und Erzhausen.
Tourlänge: 26 km
Schwierigkeit: leicht, Anstieg ca. 100m
Reine Fahrzeit: 1,5 Std.
Wir haben die Tour mit Komoot aufgezeichnet und alle Highliglights dieser Wanderung mit kurzen Texten beschrieben. Hier geht es zur Tour in Komoot (in Kürze).
HIGHLIGHTS
NaturFreundehaus Egelsbach-Erzhausen
Nach der Befreiung vom Faschismus bekamen die Egelsbacher NaturFreunde als Wiedergutmachung für ihr zerstörtes Haus ein Pachtgelände am Waldrand sowie Bauholz. Sie bauten das Haus in Selbsthilfe, weihten es 1952 als "Waldheim" ein und bauten im Laufe der Jahre immer wieder an und um.
Das NaturFreundehaus wird ehrenamtlich betreut und gepflegt. Befreundete Gruppen nutzen es und es kann zu günstigen Preisen angemietet werden.
Das Selbstversorgerhaus (24 Übernachtungsmöglichkeiten in Mehrbettzimmern) bietet darüber hinaus Entspannung auf dem Gelände mit schattigen Sitzplätzen und einem Spielplatz. Von April bis Oktober hat an Sonn- und Feiertagen ein kleiner Kioskbetrieb zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet. Unser Haus ist Wohlfühlort für Familien, Menschen mit körperlichen Einschränkungen, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen aus der Region und darüber hinaus.
https://www.gruppenhaus.de/naturfreundehaus-waldheim-egelsbach-hs3044.html
Flughafen Egelsbach
Mit über 80 000 Flugbewegungen im Jahr präsentiert sich "Frankfurt-Egelsbach Airport" als "verkehrsreichster Flugplatz der allgemeinen Luftfahrt in Deutschland" und wird von Geschäftsreisenden wegen der hohen Flexibilität, den kurzen Wegen und schnellen Abfertigungsprozessen geschätzt. Er ist mit ca. 30 Unternehmen und 700 Arbeitsplätzen wichtiger Gewerbestandort und seit 1964 die Adresse der Polizeifliegerstaffel Hessen.
Während die Egelsbacher Wiesen ab 1953 Modellfliegern als Piste dienten, startete der Motor- und Segelflugverkehr bereits 1955 auf der befestigten "Texas-Piste". 1966 wurde die Piste asphaltiert und 2004 um 410 Meter auf 1400 Meter verlängert.
Die Ausbau-Vorhaben waren von Anfang an umstritten. Örtliche Bauern (50er Jahre) und Bürgerinitiativen (80er) aus Egelsbach und Erzhausen wandten sich gegen Umweltzerstörung und Verstärkung des Fluglärms sogar in der Nacht. Im Zusammenhang mit Ausbauplänen wurde eine Reihe hoher Bäume bei Nacht und Nebel plötzlich gefällt. Die Empörung darüber erfasste weite Teile der Bevölkerung. Bürgerentscheide verhinderten 2009 die Privatisierung. Viele Organisationen, darunter die NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen sowie Bürgerinnen und Bürger der umliegenden Gemeinden, wurden Mitglied in der Flug- und Lärmabwehrgemeinschaft (FLAG) und engagieren sich seither für den Schutz von Natur und Umwelt und für eine bessere Lebensqualität in der Region.
https://www.flag-egelsbach.de/flugplaz-egelsbach/
Erzhäuser Rundweg
Im Sommer 2018 wurde der Erzhäuser Rundweg, ein Gemarkungsrundgang, feierlich eröffnet. Entlang des Weges laden zahlreiche Schautafeln dazu ein, mehr über die Natur und den Ort Erzhausen zu erfahren. Auch die NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen stifteten eine der Schautafeln. Die Erzhäuser Bambelbänke, erhöhte Sitzbänke, auf denen man seine Beine baumeln lassen kann, laden zum Verweilen ein. Die Menschen setzen sich mit der Natur vor ihrer Haustür auseinander, genießen und sind dabei gleichzeitig aktiv.
Der Heegbachlauf, ein Highlight in der Region "von Läufern für Läufer", hat sich als "Event" etabliert und verläuft in weiten Teilen entlang des nördlichen Erzhäuser Rundweges.
Info zum Heegbachlauf 2025: www.die-kaltduscher.de
Bücherbahnhof Erzhausen
Das Bahnhofsgebäude in Erzhausen wurde 1903 im Zuge der Entwicklung des Eisenbahnverkehrs errichtet. Ursprünglich diente es als klassischer Bahnhof mit Wartebereich, Fahrkartenschalter und Güterverkehrseinrichtungen, um die wachsende Mobilität und den Handel in der Region zu unterstützen. Die Architektur spiegelt den typischen Landhausstil kleinerer Bahnhöfe jener Zeit wider. Die verspielte Dachform mit dem turmartigen Vorbau findet sich im Raum Darmstadt häufig.
2003 wurde der Bahnhof aus dem Bahnbesitz ausgegliedert. Das heute denkmalgeschützte Empfangsgebäude des Bahnhofes ist seitdem der „Bücher-Bahnhof Erzhausen“. Neben der Nutzung als Gemeindebücherei bietet er Raum für kulturelle Veranstaltungen und dient als lokaler Treffpunkt. Er trägt dazu bei, das kulturelle Leben in Erzhausen zu bereichern. Der Charme des historischen Gebäudes verleiht dem Ort eine besondere Atmosphäre und legt Zeugnis davon ab, welch hoher Wert dem ÖPNV beigemessen wurde und wie sich dies in schöner Architektur ausdrückte.
Der Radschnellweg Darmstadt-Frankfurt
Der Radschnellweg soll auf rund dreißig Kilometern das Radfahren zwischen Darmstadt und Frankfurt schneller und sicherer gestalten und bietet Pendlern eine Alternative zu Auto und Bahn. Der Weg ist 5 Meter breit, asphaltiert und vom Autoverkehr abgetrennt und ermöglicht damit Fahrgeschwindigkeiten bis zu 25 km/h.
Die Planung startete 2015. 2019 wurde der erste Abschnitt Egelsbach - Wixhausen eröffnet. Die Fertigstellung dieses "Pilotprojekts" des Landes Hessen war ursprünglich für 2023 angesetzt. Momentan (Stand 2024) ist sie für 2025 geplant. Der Weg verfügt über solarbetriebene Beleuchtung und Servicestationen für Radfahrer*innen entlang der Strecke.
Die NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen arbeiten in Kooperation mit dem ADFC, BUND und engagierten Bürger*innen aus Langen in einem Bündnis VILE = Verkehrswende Initiative Langen Egelsbach an einer Verbesserung der Radinfrastruktur in Langen und Egelsbach.
www.region-frankfurt.de/Radschnellwege
Erinnerung an das ehemalige NaturFreundehaus
An das ehemalige NaturFreundehaus der Ortsgruppe Egelsbach in der Steinkaut, am Rande eines Steinbruchs im Norden von Egelsbach, erinnern heute nur noch ein paar Grundmauern und ein Hinweisschild. Begibt man sich 50 Meter in den Wald, findet man die spärlichen Überreste. Trotz hoher Arbeitslosigkeit unter den jüngeren Mitgliedern erwarben die rührigen NaturFreunde in den 20er Jahren eine alte Militärbaracke aus Griesheim. Mit großem Idealismus beteiligten sich die Handwerker der Ortsgruppe beim Ab- und Neubau des Hauses.
Mangels Trinkwasser vor Ort musste für Vereinsveranstaltungen Wasser in einem Zinkfass per Handwagen 11 Kilometer herangeschafft werden. Im Frühjahr 1932 wurde das NaturFreundehaus feierlich eingeweiht, doch die Zeit des friedlichen Zusammenseins war nur von kurzer Dauer.
Anfang 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Gewaltherrschaft in Deutschland, die NaturFreunde wurden als eine der ersten Organisationen verboten. Anfang April 1933, kurz nachdem Mitglieder wichtige Dinge aus dem NaturFreundehaus geborgen hatten, wurde es von der SA mit Karabinern beschossen. Das Haus wurde für kurze Zeit von den Nationalsozialisten als HJ-Heim und Sommerkindergarten genutzt und anschließend zerstört.
https://www.naturfreunde-egelsbach-erzhausen.de/galerie/-/-/-/show/555/c...
Der Egelsbacher „Klammer-Schnitzer-Brunnen“
Das Denkmal erinnert an die lokale Tradition der Holzklammer-Herstellung und steht als Symbol für das handwerkliche Erbe der Gemeinde. Das Klammernschnitzen war im Winter für die Landbevölkerung ein kleiner Nebenerwerb und brachte ihnen die Bezeichnung "Klammerndörfer" ein. Der Brunnen reiht sich in die Tradition handwerklicher Denkmäler ein, die lokale Berufe und kulturelles Erbe ehren.
Egelsbacher Eigenheim
Das Egelsbacher Eigenheim, ein heute denkmalgeschützter Veranstaltungsort, wurde 1925 erbaut und bereits 1926 eingeweiht. Das Gebäude entstand unter großen finanziellen Mühen der Eigenheimgenossenschaft und diente als Verkehrslokal für alle Organisationen, die der freien Arbeiterbewegung angeschlossen waren. Für die damalige Zeit war das Gebäude ein beeindruckender Saalbau, der in der Region seinesgleichen suchte.
Im September 1929 veranstalteten 800 junge NaturFreund*innen unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ den Gaujugendtag. Menschen von außerhalb wurden privat bei Bauern der kleinen Gemeinde untergebracht. Am 21.9. führte man mit 120 jugendlichen Mitwirkenden das Antikriegsdrama „Masse Mensch“ von Ernst Toller auf.
https://www.63329.info/images/Geschichtsverein/006-Eigenheim.pdf
Stolperstein für Walter Rietig
Der Egelsbacher NaturFreund Walter Rietig arbeitete als Spengler bei Opel und unterstützte eine der illegalen Betriebsgruppen. Ein Arbeitskollege denunzierte ihn wegen einer regimekritischen Äußerung, worauf er im Juli 1942 verhaftet und von der Gestapo zwei Tage lang verhört wurde. Am Ende unterschrieb er ein Vernehmungsprotokoll, in dem er
alle ihm zur Last gelegten Äußerungen eingestand. Trotz späteren Widerrufs erließ der Haftrichter einen Haftbefehl wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung in Verbindung mit der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens".
Es folgten Gefängnis, Gerichtsverhandlung und Verurteilung zum Tode „... aus Gründen der Abschreckung“. Nach Ablehnung eines Gnadengesuchs erlitt er am 22.12.1942 den Tod durch Fallbeil. Sein Fall wurde in den Opel-Werken auf großen Plakaten verkündet, während seine Frau und sein Kind nur durch einen Arbeitskollegen von der Ermordung erfuhren.
Eine Beerdigung wurde verwehrt, stattdessen wurde sein Leichnam dem anatomischen Institut der Universität Berlin zu Studienzwecken übergeben.
Die Stadt Langen ehrt Walter Rietig mit einem Stolperstein und der Benennung einer Straße. Auch in Rüsselsheim ist eine Straße nach ihm benannt. Die Stadt Rüsselsheim bezeichnete ihn als eine der „Lichtgestalten“ der Stadt.
Pittler-Ausbildungszentrum
Das Pittlerwerk in Langen, früher ein bedeutender Hersteller für Werkzeugmaschinen, ging 1997 in Insolvenz. Mit der Schließung verlor Langen einen Produktionsstandort mit 1700 Arbeitsplätzen, der zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Region beigetragen hatte.
Auf einem Teil des Pittler Geländes entstand das größte überbetriebliche Ausbildungszentrum des Rhein-Main Gebietes, die Pittler ProRegion Berufsausbildung GmbH, die die Stadt Langen und die Fraport-Stiftung betreiben. In den Lehrwerkstätten werden zukünftige Fachkräfte für Metall- und Elektroberufe in Zusammenarbeit mit 145 Partnerunternehmen aus- und weitergebildet sowie umgeschult. Für die Nicht-Ortsansässigen stehen 19 Einzelzimmer, eine Gemeinschaftsküche und ein gemeinschaftlicher Aufenthaltsraum zur Verfügung, die das Zusammenleben und Lernen fördern. www.pba-online.de
Paul-Ehrlich-Institut
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel und seit 1987 in Langen ansässig. Es arbeitet in den Bereichen Zulassung, Sicherheit und Forschung für medizinische Produkte, überwacht klinische Studien und sorgt damit für Arzneimittelsicherheit.
Der Vorplatz des Paul-Ehrlich-Instituts zeigt im öffentlichen Raum zwei markante Skulpturen des Bildhauers Waldemar Otto. (1929–2020). Die Büste von Paul Ehrlich (1854–1915) ehrt den Namensgeber des Instituts. Eine reduzierte, dennoch ausdrucksstarke Darstellung seines Porträts. Die Großskulptur mit dem Titel „Variationen 2“ setzt sich mit dem Konzept des Schlüssel-Schloss-Prinzips auseinander – einem zentralen biologischen Mechanismus, den Paul Ehrlich für die Medizin geprägt hat. Die Formgebung der Skulptur symbolisiert das harmonische Ineinandergreifen von Strukturen, ein Sinnbild für biochemische Prozesse und molekulare Interaktionen.
www.PEI.de https://www.waldemar-otto.de/
Umstrittener Kiesabbau - Zerstörung des Bannwaldes
Rund um den Langener Waldsee wird auf einer Fläche von 67 Hektar nach und nach wertvoller Bannwald für den Kiesabbau zerstört.
Ein Bannwald ist ein Wald, der wegen seiner Lage, flächenmäßigen Ausdehnung und seiner außergewöhnlichen Bedeutung für Natur und Umweltschutz in seiner Flächensubstanz erhalten werden muss und deshalb nur in Ausnahmefällen gerodet werden darf. Das Land Hessen zählt den Abbau von Bodenschätzen zu diesen Ausnahmefällen. Dabei spielen die lokale Artenvielfalt oder der wichtige Beitrag von Bäumen zu Klimaschutz, Wasserhaushalt und Luftreinigung keine Rolle. Man begnügt sich mit Auflagen zur Renaturierung.
Die NaturFreunde Egelsbach-Erzhausen sind zusammen mit vielen anderen Menschen aus der Region Teil des Aktionsbündnisses „Langener Bannwald“. Weder diverse Klagen des BUND noch politischer Widerstand aus der Bevölkerung konnten dazu führen, dass per Planfeststellungsbeschluss Kies auf einer Größe von 90 Fußballfeldern abgebaggert werden darf.